Die Reform der Lebensversicherungen in Deutschland ist seit wenigen Tagen beschlossene Sache. Entwickelt, um das Überleben der Versicherungsunternehmen auch in der anhaltenden Niedrigzinsphase zu sichern, sieht sie vor allem eine neue Behandlung der Bewertungsreserven vor. Dieser Begriff bezeichnet die mitunter auch „stille Reserven“ genannten Differenzen zwischen dem aktuellen Wert einer Anlage am Kapitalmarkt und dem in der Bilanz ausgewiesenen Kaufwert dieser Anlage. Letzterer wird gemäß dem Niederstwertprinzip bei der Bilanzierung immer so gering wie möglich angesetzt. Der Sinn solcher Bewertungsreserven besteht darin, Schwankungen am Kapitalmarkt auszugleichen und dadurch die Sicherheit von Renten und Kapitallebensversicherungen zu erhöhen. Sie ermöglichen es dem Versicherer, die zugesagten Renditen auszuzahlen. Am Ende der Vertragslaufzeit stand bislang dem Versicherungskunden eine Beteiligung an den Bewertungsreserven in Höhe von 50% zu.
Dies wurde mit dem soeben verabschiedeten Reformgesetz geändert. Die Beteiligung der Kunden an den Bewertungsreserven fällt künftig weg. Vielmehr fließen diese Beträge dem Versicherungsunternehmen zu, um eventuelle finanzielle Probleme abzufangen. Im Gegenzug gibt es jedoch eine höhere Beteiligung an den Risikoüberschüssen des Versicherers als bisher. Diese Überschüsse entstehen dadurch, dass Versicherungskunden früher versterben, als dies bei der Risikokalkulation angenommen wurde.
Wer jetzt vorschnell kündigt, geht womöglich doppelt leer aus
Grund zur Panik besteht indes nicht, im Gegenteil: Ein überstürztes Auflösen der Versicherungsverträge kann die finanziellen Nachteile noch verschärfen.
In erster Linie betroffen sind diejenigen Versicherungsnehmer, deren Lebensversicherungen bald auslaufen: Sie erhalten die erwartete Beteiligung an den Bewertungsreserven nicht mehr, werden aber auch noch nicht von den Risikogewinnen profitieren können, da sich dieser Effekt erst längerfristig einstellen wird. Allerdings entsteht dieser direkte Nachteil aus dem neuen Gesetz nur für die etwa fünf Prozent der Versicherten, deren Vertragslaufzeit sich dem Ende zuneigt.
Generell ist eine Kündigung zum jetzigen Zeitpunkt riskant: Das neue Gesetz ist beschlossen, muss aber noch im Bundesgesetzblatt veröffentlicht werden, um in Kraft zu treten. Dies wird aller Voraussicht nach noch im Juli geschehen. Wer jetzt seinen Vertrag kündigt, muss sich an die gesetzliche Frist von einem Monat halten, die auch bei außerordentlichen Kündigungen gilt. Das heißt, die Kündigung wird sehr wahrscheinlich erst wirksam, wenn das neue Gesetz schon in Kraft getreten ist. Dann entfällt die Beteiligung an den Bewertungsreserven – und gleichzeitig könnte der Versicherer wegen der frühzeitigen Kündigung den Anteil des Kunden am Schlussgewinn kürzen oder ganz streichen.